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FC Bayern sabotiert sich selbst – Kommentar zum Aus von Thomas Tuchel


Trainer-Saga geht weiter
Es hört einfach nicht auf


Aktualisiert am 17.05.2024Lesedauer: 5 Min.
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Max Eberl (l.) ist sportlich verantwortlich, doch Uli Hoeneß (r.) ist im Hintergrund immer noch mächtig.Vergrößern des Bildes
Max Eberl (l.) ist sportlich verantwortlich, doch Uli Hoeneß (r.) ist im Hintergrund immer noch mächtig. (Quelle: IMAGO/Ulmer/Teamfoto, Ulrich Wagner, Fotostand)

Thomas Tuchel bleibt nicht beim FC Bayern. Die Suche des Vereins nach einem neuen Trainer geht also weiter. Dabei steht sich der Klub selbst im Weg.

Selbst oscarprämierten Drehbuchautoren würde es wohl schwerfallen, der Trainersuche des FC Bayern noch mehr spektakuläre Wendungen zu verpassen. Immer, wenn es so scheint, als hätten die Münchner ihre Lösung gefunden, scheitert der Plan.

Nachdem die Führungsriege um Vorstandschef Jan-Christian Dreesen im Februar klargestellt hatte, dass Thomas Tuchels Zeit beim FC Bayern im Sommer enden werde, galt Xabi Alonso als Wunschlösung. Sportvorstand Max Eberl, der erst nach dem Tuchel-Aus seinen Job antrat, favorisierte ihn. Doch Alonso plante anders, stellte an Ostern klar, dass er in Leverkusen bleibt.

Julian Nagelsmann, Tuchels Vorgänger, wurde intern als Plan B auserkoren. Doch auch Nagelsmann bleibt lieber dort, wo er ist, verlängerte beim DFB. Es brauchte also einen neuen Anlauf. Von einigen Kandidaten, die Eberl vorschlug, war der Aufsichtsrat nicht richtig angetan. Doch auf Ralf Rangnick konnten sich alle einigen. Der 65-Jährige aber sagte ebenfalls ab, die Klubbosse fielen aus allen Wolken. "Es war überraschend für uns", gab Eberl zu.

Ein vierter Anlauf war nötig. Fans träumten von einer Rückkehr Pep Guardiolas, doch die Idee erstickte im Keim. Auch aufkommende Gerüchte um Ex-Trainer Hansi Flick blieben kalt, es soll Zweifel an ihm gegeben haben. Und dann: die überraschende Wende? Plötzlich sah es so aus, als würde Thomas Tuchel doch bleiben. Nachdem sein Vorgänger abgesagt und sein Vor-Vorgänger nicht alle im Klub überzeugen konnte, sollte der bereits Geschasste im Amt weitermachen. Dumm nur, dass bereits eine Vereinbarung getroffen worden war, die aufgelöst werden musste. Diese Vereinbarung kam jedoch nicht zustande. Tuchel geht. So steht der FC Bayern auch Mitte Mai wieder einmal blank da.

Während der Meister aus Leverkusen die neue Saison und Gespräche mit möglichen Spielern planen kann, ist beim FC Bayern noch alles unklar. Selbstverschuldet. Der Verein hätte schon längst einen neuen Trainer haben können, würde er sich nicht immer wieder selbst im Weg stehen.

"Der FC Bayern ist Uli Hoeneß"

Thomas Tuchel sagte an diesem Freitag auf der Pressekonferenz: "Das Timing ist immer entscheidend." Wer sich mit Tuchels Aus im Februar in München beschäftigt, wird das im Nachhinein umso mehr erkennen. Denn weniger als zwei Wochen nach der Entscheidung trat Max Eberl seinen Job an. Der Mann, der die sportlichen Geschicke im Klub leiten soll, wurde vor vollendete Tatsachen gestellt. Nicht wenige Beobachter waren der Meinung, dass Tuchel mit Eberl an der Seite noch Trainer der Bayern wäre. Denn der 50-Jährige ist dafür bekannt, geduldig mit seinen Trainern umzugehen, ihnen stets den Rücken zu stärken. Etwas, das wohl auch Tuchel in der Februar-Krise gebraucht hätte.

Stattdessen musste Eberl die Entscheidung mittragen und sich auf die Suche nach einem neuen Trainer machen. Dabei stand ihm ein riesiges Hindernis im Weg: Bayerns jüngste Historie. Immer wieder mussten Trainer – aus den unterschiedlichsten Gründen – vorzeitig gehen. Niko Kovač scheiterte an der Mannschaft, Hansi Flick und Julian Nagelsmann an ihren Vorgesetzten. Eben jene Vorgesetzten, Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić, waren aber gar nicht mehr da, weil sie im Mai 2023 aus ihren Ämtern gehoben wurden.

Die stetige Unruhe auf den verschiedenen Positionen ist für Trainer auf Spitzenniveau kaum verlockend. Vor allem, wenn im Hintergrund immer noch Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge die Strippen ziehen, auch wenn sie eigentlich nur noch Mitglieder des Aufsichtsrats sind. Dass die beiden Ex-Bosse aber weit mehr sind, ist ein offenes Geheimnis. Thomas Tuchel berichtete bei seiner Anstellung im März 2023 von einem Anruf bei Uli Hoeneß, in dem er Hoeneß vor der Unterschrift versicherte, auf "seinen Klub aufzupassen". Denn: "Der FC Bayern ist Uli Hoeneß."

Es sind schlichtweg zu viele Köche, die in München am Werk sind. Der einst so lukrative Job des Bayern-Trainers verliert so stetig an Wert. Zum Vergleich: Xabi Alonso hat bei Bayer Leverkusen nicht nur mehr Ruhe, er hat auch eine sportliche Leitung, die ihm einen passenden Kader zur Verfügung stellt. Die ihm in Granit Xhaka den gewünschten Mittelfeldchef gekauft hat. Die ihm das nötige Tempo auf den Außenpositionen besorgt hat. Die Schlüsselspieler wie Florian Wirtz gehalten hat.

Eine solche Rückendeckung hat Thomas Tuchel nicht erfahren. Er musste sowohl im Sommer 2023 als auch im darauffolgenden Winter auf seinen Wunsch nach einer "Holding Six", eines Abräumers im defensiven Mittelfeld, verzichten. Uli Hoeneß stellte im Juli klar: "Die Frage auf der Sechs stellt sich mir gar nicht, weil Konrad Laimer ein Transfer ist, an dem wir sehr, sehr viel Spaß haben werden."

Auch vor wenigen Wochen äußerte sich der Ehrenpräsident ausführlich über die Geschehnisse im Verein, kritisierte Tuchel öffentlich, was diesen in seiner "Trainerehre" verletzte. Trotz des Gegenwindes von Ex-Spielern wie Lothar Matthäus sah Hoeneß keinen Fehler ein, sagte dem "Kicker", er sei "wild entschlossen, meine Meinung wieder deutlicher zu machen".

Max Eberl steht unter Druck

Thomas Tuchel ist nicht der erste Trainer, der die fehlende Rückendeckung zu spüren bekam. Auch Carlo Ancelotti, von Juli 2016 bis September 2017 bei den Bayern im Amt, erinnerte sich vor einer Woche an sein Aus in München: "Wir müssen eine Arbeit machen und haben dafür eine Idee. Dafür brauchen wir aber die Unterstützung des Klubs. Das ist fundamental wichtig, ansonsten wird deine Arbeit nicht gut. Und wenn dir diese Unterstützung versagt wird, ist es besser, sich zu trennen – so wie es eben mit Bayern München passiert ist."

Das Problem: So ist es bei Bayern München zuletzt fast immer passiert. Seit Pep Guardiola (verließ den Klub im Sommer 2016) war kein Trainer mehr zwei volle Jahre im Amt.

 
 
 
 
 
 
 
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Max Eberl hat also die Aufgabe, einen neuen Trainer zu finden, der inzwischen nur noch die fünfte Wahl ist, mit stetiger Unruhe klarkommen muss, in Bayer Leverkusen einen Topgegner auf die Meisterschaft hat und womöglich keine zwei Jahre im Verein überstehen wird. Zu allem Überfluss kommt dazu noch die Gefahr, dass sich Uli Hoeneß jederzeit zu Wort meldet.

Für die Dramatik eines Oscar-Drehbuchs wäre das ideal, für die Suche nach einem neuen Trainer ist es das aber nicht. Und so muss Max Eberl in diesen Tagen nicht nur unter hohem Druck einen neuen Mann für die Seitenlinie an Bord holen und parallel Spieler bei Laune halten, deren Situation beim FC Bayern offen ist. Er muss auch Uli Hoeneß und Co. klarmachen, dass sie für eine erfolgreiche Zukunft Einheit und Rückendeckung signalisieren müssen. Denn sonst geht das Spiel in einem Jahr von vorne los.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
  • Pressekonferenz des FC Bayern am 17.05.2024
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